Stefan Mekiffer ist ein freier Geist. Sonst hätte er nicht so ein außergewöhnlich radikales Buch über die Geschichte des Geldes schreiben können. Er will, dass wir besser leben indem wir verstehen, was Geld ist und was es mit uns macht.
Kein Buch eines Ökonomen hat mich in den vergangenen Jahren mehr beeindruckt als Stefan Mekiffers 250 Seiten.
Der Autor
Mekiffer, gerade erst 30, ist Volkswirt, Philosoph und Musiker. Er lebt in Berlin und Waldeck. Das Buch über die Geschichte des Geldes hat er am Ende seiner Universitätszeit geschrieben. Und er meint, er hätte so ein Buch gern zu Beginn seines Ökonomie-Studiums gelesen. Das hätte ich auch gern!
Vorworte
Er habe ein Buch über Geld geschrieben, sagt Mekiffer schlicht. Das stimmt. Und doch ist das ziemlich tiefgestapelt. Bücher über Geld gibt es hunderte und die, die ich bisher gelesen habe, ähneln sich.
Mekiffers Buch über die Geschichte des Geldes und was es mit uns macht ist anders. Es ist neugierig, sprachlich erfrischend einfach, hat keine Angst vor den großen Namen der Ökonomie wie Adam Smith, Milton Friedman, David Ricardo und John Maynard Keynes, beweist Karl Marx‘ Weitsicht und richtet sich an alle, die mit Geld umgehen und es verstehen möchten. 🙂 Also an jede und jeden von uns.
Darum geht es
Teil eins
Das Thema eröffnet Mekiffer mit der bildlichen Darstellung der Wirtschaft, wie sie die Zunft der Ökonomen seit Jahrhunderten sieht: die Wirtschaft als Maschine – als Moniac (Monetary National Income Analgoue Computer), durch dessen Inneres Geld statt Öl fließt. Geld als Schmiermittel der Großen Maschine. So beginnt die Geschichte des Geldes.
Geld, das zählbar, messbar, unpersönlich und abstrakt ist. Der Autor erklärt über diesen mechanisch-mathematischen Ansatz zur Geschichte des Geldes, wie Geld entstanden ist und auch heute entsteht. Was Geld wirklich ist – nämlich nur ein Versprechen ohne eigentlichen Wert. Und wie es unsere Gesellschaft und unser Weltbild tiefgreifend beeinflusst.
Diese Analyse der Geschichte des Geldes ist neu, radikal und sehr klar. Der Buchtitel verspricht hier nicht zuviel.
Stefan Mekiffer zerlegt kritisch und immer anschaulich für seine Analyse die herrschenden ökonomischen Modelle und Thesen um zu zeigen, wie u.a. die Politik und internationale Think Tanks ökonomische Gedanken aus der Geschichte des Geldes und dem Handel verfälschen, um eigene Interessen durch Handelsabkommen durchzusetzen. Gegen den Wohlstand der Mehrheit und auf Kosten von Natur und Tier.
Teil zwei
Im zweiten Teil geht Mekiffer der Frage nach: Wie wirkt Geld auf die Welt, also uns, mit all seinen Facetten Schulden, Kredite, Guthaben, Zinsen, Wachstum, BIP. Immer wieder springt er dabei zurück in die Anfänge der Menschheit, um zu zeigen, wie Geld unser Zusammenleben über die Zeit verändert und verändert hat. Wie es sich als Recheneinheit in unser Denken schleicht und alles einen Preis aufdrängt. Immer öfter.
Und wie wir nach und nach unser gemeinsames Land, die Allmende, verlieren – an Grundbesitzer, Hausbesitzer, Investoren. Und welchen brutalen Druck die Zinsen auf das Wirtschaftswachstum ausüben. Alle diese Facetten der Geschichte des Geldes leitet er verständlich her.
Mekiffer widerlegt dabei scheinbare Gesetzmäßigkeiten.
Ganz praktisch: Die Arbeitsteilung. Sie wird als Errungenschaft oft gefeiert. Es gibt aber auch ein Zuviel davon. Wenn selbst kleine Dinge nur noch Spezialisten beherrschen, müssen sie mit Geld bezahlt werden wie für das Fahrrad reparieren, Kochen, Haus bauen, Gemüse anbauen. Wer kaum noch handwerkliche Fähigkeiten hat muss immer mehr Geld verdienen, um Spezialisten für Notwendiges zu bezahlen. Ein Hamsterrad.
Teil drei
Im dritten Teil schlägt der querdenkende Volkswirt Lösungsansätze vor, damit alle Menschen besser leben und die Geschichte des Gelds vielleicht doch noch gut für alle ausgeht. Zugegeben, hier brauchte selbst ich einige Anläufe, um alles nachzuvollziehen.
Zum Beispiel das zinsloses Freigeld, das pro Jahr etwa 10 % seines Wertes verliert.
Mekiffers Rechnung geht dabei so: Weil das Geld seinen Wert kontinuierlich verliert, seine Kaufkraft, geben wir es aus statt es zu sparen. Dadurch ist Geld nicht mehr knapp, sondern im Überfluss da. Und weil das Geld schwindet, verleihen wir es an Unternehmen, die uns Jahre später das Geld wiedergeben. Ohne Schwund.
Klingt komisch? Finde ich auch. Hier kam mir der Spruch in den Sinn, warum unser Kopf rund ist – damit der Gedanke die Richtung wechseln kann. Im österreichischen Wörgl wurde Freigeld in den 1930er Jahren mit großem Erfolg ausprobiert, bis es ein Gericht verbot.
Teil drei hat es in sich, sollte Sie aber nicht abschrecken. Frau muss nicht alles auf Anhieb verstehen.
Skizzen aus dem Buch:
Die Geschichte des Geldes weitergeschrieben
In der Welt, die Stefan Mekiffer entwirft, gibt es keine Armut mehr, die Menschen achten die Natur und leben mit ihr, statt sie zu zerstören. Es wird nur das Notwendige konsumiert und Privatisiertes wird der Allgemeinheit wieder zurückgegeben. Utopisch? Mag sein. Aber ein wertvoller, weil klarer Ansatz für Diskussionen.
Denn, das weiß Mekiffer auch: Seine Analyse und seine Vorschläge werden viele als falsch und nicht umsetzbar von vornherein abtun. Das aber ist ein Fehler.
Stefan Mekiffer lädt uns mit seiner neu interpretierten Geschichte des Geldes ein, unseren Blick auf die Wirtschaft und uns selbst zu verändern. Er fordert uns auf, Vorurteile aufzugeben, eingefahrenes Denken zu pausieren und etwas Neues auszuprobieren. Denn dass wir weltweit dabei sind, unsere Erde wegen des Zwangs zum Wirtschaftswachstums zu kannibalisieren und Geld in alle Lebensbereiche vorgedrungen ist (Organverkauf, bezahlte Mutterschaft, TV-Lizenzen für Fußballspiele …) dürfte inzwischen für jeden sichtbar sein.
Auswahl starker Aussagen aus dem Buch
„Das Geld ist die folgenschwerste Erfindung der Geschichte.“
„Geld, Job, Schulden, Eigentum – diese menschengemachten Ideen beherrschen unser tagtägliches Leben mehr als je zuvor. Wir erkennen heute nicht mehr Bäume an ihren Blätter, dafür Unternehmen an ihren Logos.“
„Wer nicht Land oder Vermögen besitzt, dem bleibt nur, das Einzige zu verkaufen, was er hat: seine Lebenszeit.“
„Glauben Sie der Geschichte, dass der Mangel natürlich und Arbeit immer widrig und viel ist? Ich habe sie so häufig gehört, dass ich sie lange für selbstverständlich hielt. Aber das ist sie nicht.“
„Wer Geld hat, braucht Freunde und Gemeinschaft ökonomisch gesehen gar nicht. Was immer ich brauche, ich kann es bezahlen. Das bedeutet natürlich im Umkehrschluss, dass niemand mich braucht. … Am Ende stehen losgelöste Individuen, abgetrennt von der Gemeinschaft.“
„Es ist der Mechanismus von Kredit und Zins, der das Wirtschaftswachstum, die Kommerzialisierung vorantreibt.“
„Wir sind abhängig vom Geld.“
Geld hinterfragen
Stefan Mekiffer hat aus seinen Erkenntnissen über die Geschichte des Geldes, unser Geldwesen und das Ressourcen verschwendende Wirtschaften persönliche Konsequenzen gezogen. Er will freier und unabhängiger von Geld leben und dem Geldverdienen-müssen. Damit er Zeit für Projekte hat, die er gut und richtig findet.
Er hat ein Haus gekauft auf dem Land und einen Waldgarten angelegt, von dessen Früchten er, sein Bruder und alle die leben, die ihn besuchen. Statt Besitz anzuhäufen teilt er. Ein Credo seines Buches — die organische Wirtschaft. So ähnlich hat es auch Kate Raworth in ihrem visionären Buch „Die Donuat-Ökonomie“ (2018) beschrieben (meine Rezension bei NDR Info).
Für wen sich das Buch eignet
Für alle. Wirklich. Gerade, wenn Sie noch nicht viele Wirtschaftsbücher gelesen haben, lesen Sie dieses! Auch ohne Vorkenntnisse verstehen Sie den Inhalt. Es ist für Sie geschrieben, nicht für Ökonomen.
Lesen Sie dieses Buch:
→ wenn Sie Geld und das globale Wirtschaftssystem wirklich verstehen möchten
→ Sie nach klaren Antworten suchen, warum so vieles aus dem Ruder läuft und die Reichen immer reicher und mächtiger werden
→ oder Ihr Geld anlegen möchten und Ihnen der Blick auf das Große und Ganze fehlt.
Am besten lesen Sie es gleich zwei Mal.
Micheal Mekiffer
Warum eigentlich genug Geld für alle da ist
Hanser Verlag 2016
13,90 €
Ich freue mich auf Ihr Feedback.
Sie wollen das Buch lieber hören? Bei Audible gibt es Mekiffer auch auf die Ohren.
Wenn Sie Mekiffers Thesen über die Geschichte des Geldes spannend finden, kann ich Ihnen auch das Buch des US-amerikanischen Philosophen Sandel sehr empfehlen:
Passend dazu:
Michael Sandel: Was man für Geld nicht kaufen kann.
Und hier können Sie den jungen Stefan Mekiffer im Interview erleben.
Transparenzhinweis:
Das Buch hat mir der Hanser Verlag zur Verfügung gestellt. In meinen Buchtipps bespreche ich dennoch nur Bücher, deren Inhalt ich für relevant und nützlich halte. Und nicht, weil sei mir geschenkt wurden.
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