Die größte Falle für die Selbstbestimmung und Unabhängigkeit einer Frau – auch die finanzielle – ist ausgerechnet eines der schönsten Dinge der Welt: Einem Menschen das Leben zu schenken beziehungsweise schon allein der Umstand, es biologisch zu können.
Hochqualifiziert und hochmotiviert in die Falle
Ich kenne viele Frauen, hochqualifiziert, in guten Berufen, mit verständnisvollen Partnern, die mit der Geburt ihrer Kinder etwas völlig Neues erfahren. Etwas, das sie vorher nie für möglich gehalten haben:
- Druck des Umfeldes auf sie, wie sie zu sein haben als gebärende Menschen
- Partner, die ihre Vaterpflichten doch nicht hälftig übernehmen und plötzlich die Hausarbeit einstellen (weil SIE ja wegen des Kindes zuhause ist, selbst aber nicht zuhause sein wollen)
- Diskriminierung in der Arbeit – mit Kind könne frau ja keinen qualifizierten Job mehr ausüben und überhaupt, hat frau denn überhaupt einen Vater, und wie findet er das denn, das sie noch arbeitet?
- der Kampf um knappe Ressourcen wie einen Kita-Platz
Diese gesellschaftlichen, strukturellen Grenzen sind nicht nur lediglich unerfreulich und anstrengend vor allem für Frauen – aber auch für Männer und Väter, die gleichberechtigt leben möchten.
Sie manövrieren sie auch in Situationen, die sie sich nicht hatten vorstellen können und die sie selbst nicht allein verändern können. Die Gesellschaft ist hier vor allem gefragt. Aber nicht nur.
Selbständigkeit wider Willen
Viele hochqualifizierte Frauen gründen wegen dieser Widrigkeiten ein Unternehmen. Nicht immer freiwillig. Sie können aber ihre eigenen Ansprüche an Kinderbetreuung und Job nicht mit dem immer noch Mütter- und Väterfeindlichen Arbeits- und Gesellschaftsumfeld in Einklang bringen. Aufgeben wollen sie aber nicht. Deshalb kämpfen sie.
Das kostet Kraft, auch in der eigenen Partnerschaft die Ungleichheit anzusprechen und auf gleiche Behandlung zu drängen. Das führt manchmal sogar zu Trennungen. Manche Männer stecken noch so fest in alten Rollenbildern. Zu viele. Ohne die Männer aber geht es nicht.
Ohne ein Umdenken bei Frauen auch nicht.
Frauen – denkt um und wehrt euch
Ein Stolperstein für Frauen – oder Falle – ist, sich über das Muttersein zu definieren anstatt weiter über die eigene Persönlichkeit – oder sich in die Mutterrolle drängen zu lassen!
Ich war am 8. März in Hamburg auf einem Netzwerktag für Frauen. Eine gute Gelegenheit, mit anderen Frauen in Kontakt zu kommen. Angesetzt war dazu auch eine Podiumsdiskussion zum Thema: „Frauen im Blick – Wir gestalten die Zukunft“. Ich – und viele andere Zuhörerinnen – waren davon so entsetzt, dass sie nach kurzer Zeit gegangen sind.
Was was passiert? Die Runde sprach nicht darüber, wie sie sich die Zukunft vorstellten, und was sie dazu gern beitragen würden, mit Ideen und Taten, damit die Zukunft so wird, wie sie das gern hätten. Stattdessen fragte die Moderatorin die Frauen immer wieder über ihre Mutterschaft aus, und wie sie es trotz Muttersein in ihrem Job geschafft hatten, eine respektable Fachfrau zu sein.
Was mich und die anderen wütend machte? Frauen haben soviel Potenzial, wird ihre Mutterschaft aber ständig vor die Fachqualifikation und Persönlichkeit gestellt, wird es begrenzt. Auch das Denken, wie die Runde gezeigt hat. Nicht die Persönlichkeit der Frau mit all ihren Facetten ist dann entscheidend, sondern der Umstand, dass sie ein Mensch ist, der schwanger werden kann – und wurde.
Ich stellte mir die Runde andersherum vor. Ein Moderator, der die Männer immer und immer wieder fragt nach ihrer Vaterschaft, wie sie trotz 3 Kindern aufgestiegen sind im Job, wie sie das so hingekriegt haben (Mensch!) und warum sie es trotz ihrer Kinder in verantwortungsvolle berufliche Positionen geschafft hatten. Als Väter! Und dann noch so viel verdienen!
Statt Mutterrolle Persönlichkeit – für gleiche Teilhabe
Ich wünsche mir, das Frauen sich wehren, wenn sie ständig im beruflichen Umfeld auf ihre Mutterschaft angesprochen und teils auch darauf ganz gezielt reduziert werden. Und dass sie aufhören, ihre Mutterschaft vor sich herzutragen. Stattdessen ihre Persönlichkeit dafür einsetzen, dass Frauen (und Männer) gleich behandelt werden – also gleichen Lohn für gleiche Arbeit erhalten, gleiche Chancen aufzusteigen, gleiche Teilhabe am gesellschaftlichen Wohlstand, gleiche Teilhabe an politischer und wirtschaftlicher Macht.
Die gesellschaftlichen Strukturen bremsen Frauen eh schon aus. Da müssen wir nicht zusätzlich mit bremsen. So schön das Muttersein (und Vätersein) auch ist. Lassen Sie uns die Zukunft mit gestalten. Mit allem, was wir haben.
Equal Pay Day am 18. März
Der 18. März, den Equal Pay Day, kennzeichnet in Deutschland den symbolischen Tag im Jahr, bis zu dem Frauen quasi mehr arbeiten, als entlohnt zu werden, weil sie immer noch weniger Lohn erhalten als ihre männlichen Kollegen. Dieser Gender Pay Gap beträgt laut statistischem Bundesamt 21 Prozent, seit Jahren! Eine Ungleichheit, die immer deutlicher in der Öffentlichkeit hinterfragt wird. Gut so!
Die Zeitschrift Emotion hat zum Equal Pay Day zwei Artikel geschrieben, die ich empfehlen möchte.
→ Equal Pay: Die zehn größten Fake-Argumente
→ 3 Fragen zum Equal Pay Day
Die britische Regierung hat auch ein Lohntransparenz-Gesetz erlassen wie Deutschland. Allerdings pragmatischer gestrickt, was der Transparenz erheblich hilft. Demnach müssen britischen Unternehmen den Durchschnittslohn und die Lohnlücke ihrer männlichen und weiblichen Angestellten veröffentlichen. Das bringt erschreckende Unterschiede zutage.
→ Gender Pay Gab Service
In diesem Sinne – auf das der Equal Pay Day bald Geschichte ist.
Oder, um es mit Sheryl Sandberg zu sagen, der Geschäftsführerin von facebook: „This is the moment to invest more in woman, rather than less.“
Equal Pay Day am 18. März
http://www.rwi-essen.de/unstatistik/53/
(vom 31. März 2016, damals war der EP-Day am 19. März also vergleichbar)
„Aber auch wenn man die 21,6 Prozent Minderverdienst als korrekt akzeptiert, bleibt der Equal Pay Day falsch. Denn dann müssten Frauen nicht 21,6 Prozent, sondern 27,5 Prozent länger arbeiten, um das Einkommen der Männer zu erreichen. Und 27,5 Prozent der durchschnittlich 220 Arbeitstage eines Jahres erreicht man erst am Mittag des 7. April (bei zwei Urlaubstagen pro Monat). Darauf hat die Deutsche Mathematiker-Vereinigung (DMV) bereits vor Jahren hingewiesen, aber anscheinend ist dieser Fehler nicht auszurotten. Um ein extremes Beispiel zu nehmen: Wenn ein Mann 100 Euro am Tag verdient und eine Frau nur 50 Euro, dann muss die Frau nicht einen halben, sondern einen ganzen Tag länger arbeiten, um auf den gleichen Verdienst zu kommen.“
„In gegebenen Berufen verdienen Frauen nicht 21,6 Prozent, sondern um die 5 Prozent weniger als Männer. Das ist zwar gleichfalls ungerecht, aber weit weniger extrem. Die 21,6 Prozent resultieren vor allem daraus, dass Frauen häufiger in schlecht bezahlten Berufen und in Teilzeit arbeiten. Dieser Sachverhalt wird in vielen Medien irreführend dargestellt.“
Auch interessant:
Männer finanzieren, Frauen profitieren
Eine Analyse der Geldströme in öffentlichen Haushalten mittels Gender Budgeting (2007)
https://bit.ly/2ZkgSor
Lieber BadBanker,
danke für die mathematisch korrekte Interpretation des Equal Pay Day, nachzulesen auch beim Statistischen Bundesamt.
Sie ist eine hübsche Ergänzung zu dem Kern der ungleichen Bezahlung, von der mein Artikel handelt: das gesellschaftliche und wirtschaftliche Umfeld für Frauen, wenn sie Kinder geboren haben.
Die Schlagzeile, „Männer finanzieren, Frauen profitieren“, ist dagegen polemisch und inhaltlich falsch.
Wenn sich Männer hälftig an der Familien- und Carearbeit beteiligen würden, gäbe es eine solche Umverteilung nicht. Sie ist gerade Ausdruck des Entzugs des Mannes aus der Carearbeit (rein pauschal gesprochen, um im „Studienjargon“ zu bleiben). Außerdem beruht sie auf der ungleichen Bezahlung von Männern und Frauen in gleicher Verantwortung.
Hier das Steuersystem/Steueraufkommen als fatale Umverteilung vom ach so armen Mann zur geldgeilen Frau anzuführen ist geradezu grotesk und verdreht komplett die Tatsachen. Angesichts auch des Ehegattensplittings, das Frauen systematisch diskreditiert. Lies hier: https://bit.ly/2Hx1YBM
Ich trete dafür ein, das Frauen und Männer als Team unterwegs sind, mit ihren Kindern, gleichberechtigt, mit gleichen Chancen, gleicher Teilhabe, gleichen Perspektiven. Es geht um ein faires Miteinander nicht gegeneinander. Ihnen scheint am Gegeneinander gelegen zu sein.
Hey Dani,
ich finde es gut, dass ihr gegangen seid, weil euch der Inhalt nicht gefallen hat. Man muss aber bedenken, dass wenn bei „die Zukunft gestalten, wie wir sie gerne hätten“ kein Ziel erreicht werden kann, wenn das impliziert, dass sich andere Menschen ändern sollen. Man kontrolliert immer nur sich selber und hat nur wenig bis gar keinen Einfluss auf die Entscheidungen anderer Menschen. Deswegen halte ich jegliche Versuche, andere „umzuerziehen“ oder für etwas oder gegen etwas zu „kämpfen“, für verschwendete Lebensenergie. Ein Unternehmen zu gründen ist ein super Ausweg aus dieser Abhängigkeit und es ist super, wenn sich viele Frauen dafür entscheiden, selber Arbeitgeber zu werden und Kontrolle auszuüben.
Schönen Samstag 🙂
Anna
Moin Anna,
sehe ich auch so, das mit dem Selbstgründen, sein Ding machen, Arbeitgeberin werden und eine eigene Kultur entwickeln. Deswegen bin auch ich selbständig 🙂 und liebe es. Kenne freilich aber auch die Schattenseiten, wie jede von uns.
Ich halte es aber mit dem Kämpfen. Und Diskuktieren und informieren. Freilich können wir niemanden ändern. Aber wir können etwas VERändern, wenn wir miteinander reden, unsere Sicht darstellen, unsere Nöte, Gedanken, Leidenschaften teilen, uns informieren, nachdenken. Kein gesellschaftlicher Umbruch hätte je stattgefunden, hätte es nicht Menschen gegeben, die die gesellschaftlichen Umstände verändern wollten, weil sie vielen nicht gut getan haben. Hätten die alle gedacht – ich kämpfe nicht dafür, ist verschwendete Lebensenergie – stünden gerade wir Frauen heute nicht da, wo wir sind.
In diesem Punkt widerspreche ich dir also. Eintreten für etwas, Haltung zeigen, dann bewegen sich die Dinge. Das ist mein Credo.
Dir auch einen schönen Sonnabend, Anna.