Klein, handlich, viel drin. Dieses grüne Buch ist das, was es vorgibt zu sein: Ein Handbuch, wie wir unser Geld investieren können – und zwar vernünftig! Also ohne Finanzfirlefanz und Riesenzeitaufwand, dafür aufgeklärt und kostengünstig.
Geschrieben hat es der US-Amerikaner John C. Bogle.
Der Autor
Bogle ist eine Investmentlegende ähnlich wie Warren Buffet. Der US-Ökonom arbeitete viele Jahrzehnte als Investmentbanker, bis er 1974 mit 45 Jahren seine eigene Investmentgesellschaft gründete – die Vanguard Group.
Bogle entwickelte für Vanguard 1975 den ersten passiv gemanagten Indexfonds für US-Privatanleger als kostengünstige Alternative zu den teuren, von Managern zusammengestellten Investmentfonds. Mit seinem ersten Indexfonds bildete Bogle den Index Standard & Poor’s 500 nach. Das Indexing war geboren!
Bogles Indexfond legte den Grundstein für die Erfolgsgeschichte der heutigen, börsengehandelten Indexfonds, den Exchange Traded Funds, mit denen immer mehr Privatanleger’innen Geld investieren. Der erste ETF kam 1993 ebenfalls auf den Standard & Poor’s 500 auf den Markt, der so genannte „Spider“ (SPDR).
John C. Bogle, heute 89, gilt als exzellenter Autor und veröffentlichte viele Bestseller. (Bogle starb im Januar 2019.)
Darum geht es
Sein kleines „Handbuch des vernünftigen Investierens“ ist die ins Deutsche übersetzte, 10. Auflage seines US-Bestsellers von 2007. Bogle schreibt gleich im Vorwort, was er will:
„Es soll verändern, wie Sie über Geldanlage denken.“
Um das zu erreichen, legt Bogle Schritt für Schritt seine Gedanken und Argumente offen, warum Indexing für Privatleute die passende Geldanlage ist. Und nicht etwa Einzelinvestments z.B. in Aktien oder teure aktiv gemanagte Investmentfonds, geschlossene Immobilienfonds usw.
Mit Indexing meint Bogle:
Für einen Indexfonds werden – wie in einen großen Korb – die Aktien zusammengekauft, die einen bestimmten Aktienindex bilden, z.B. den Standard & Poor’s 500 Index oder – für Deutschland – den DAX. Ein DAX-Indexfonds würde demnach Aktien dieser 30 größten börsennotierten Unternehmen Deutschlands besitzen, und zwar in der Gewichtung wie im DAX. Und von diesem DAX-Indexfonds könnten Privatanleger’innen einen Teil erwerben.
20 Kapitel über die Idee hinter Indexfonds
In den ersten Kapiteln erklärt Bogle etwas philosophisch, wie Aktienmärkte funktionieren, wer was warum tut und verdient. Das ist sehr nachvollziehbar und unterhaltsam.
Dann widmet sich der Investor einem seiner wichtigsten Argumente: den Kosten. Kosten spielen eine Rolle, eine gewaltige, schreibt er. Weil die Kosten einer Geldanlage die Erträge auffressen.
Beispiel:
Bei einer jährlichen Kostenquote von 2 Prozent etwa erhalten Anleger’innen nach 50 Jahren lediglich 40 Prozent der möglichen Erträge. 60 Prozent dagegen gehen an den „Finanzvermittlerapparat“ und Fondsmanager. Die, so merkt Bogle treffend an, weder Kapital eingebracht haben noch das Verlustrisiko tragen. (Ergänzung: Bei den 60% handelt es sich um tatsächliche Kosten plus entgangene Gewinne – wg. des Zinseszinseffektes. Denn er wirkt freilich auch negativ, so, wie er positiv wirkt. Potenzieren!)
Die Kosten entscheiden also über Erfolg oder Misserfolg einer Kapitalanlage.
Bogle erklärt ausgiebig, warum Investmentfonds immer niedrigere Erträge liefern als Indexfonds – selbst wenn sie mal einige Jahre Top-Leistungen liefern. Und warum es entscheidend ist, bei dem Geld investieren auf „ganz lange Sicht“ Wert zu legen, anstatt auf kurzfristiges Handeln und Spekulation.
Dass Bogle nur wenig von Anlageberatern hält, können Sie sich vermutlich denken. Er plädiert im Grunde in jeder Zeile des Buches dafür, dass jeder sein Geld selbst anlegt und sich nicht von Anlageberatern, Vermittlern, Versicherungen und Banken für teures Geld in irgendeinen teuren Fonds quatschen lässt. Deshalb betont er auch: Halte deine Anlage einfach.
Bis hierhin argumentiert Bogle klar und logisch.
ETFs – Verräter in der Sache?
Überraschend sind Kapitel 15 und 16. Dort schreibt der Großinvestor mit einem gewissen Furor gegen ETFs an, den Exchange Traded Funds, die in Deutschland so beliebt sind.
ETFs sind nichts anderes als Bogles Indexfonds, die aber nicht über einen Verwalter verkauft werden. Sondern über die Börse. Das ist der Hauptunterschied. Dazu kommen niedrigere Kosten.
Bogle wettert förmlich, ETFs würden den Sinn von Indexfonds verraten. Sie dienten als Vehikel für Spekulationen. Warum? Weil ETFs vornehmlich, so Bogle, von kurzfristig orientierten Anlegern verwendet werden. Von Banken und aktiven Kapitalverwaltern. Diese handelten eifrig ETF-Anteile und verrieten damit die Langfriststrategie seiner Indexfonds-Idee.
Indexfonds, einmal gekauft, sollen über Jahrzehnte behalten werden. Buy-and-hold heißt diese Anlagestrategie.
Und noch etwas ärgert Bogle: Dass es eine Flut an ETFs auf jeden möglichen Index gebe, hoch spezialisiert und damit nicht mehr breit über den gesamten Aktienmarkt aufgestellt.
Der ETF verrate die Sache des Indexfonds, so Bogles Fazit.
Diese Einschätzung verwundert in ihrer Schärfe.
Bogle schreibt selbst, wenn ETFs von Privatanleger’innen genauso behandelt werden wie Indexfonds, nämlich als langfristige Geldanlage und nicht ständig ver- und gekauft werden, seien auch ETFs zu empfehlen. Er stört sich an der leichten Handelbarkeit von ETF-Anteilen über die Börse.
So what? Bogles Investmentansatz überzeugt in seiner Logik. Wer ihr folgt, wird ETFs nicht ständig austauschen. Und wahrscheinlich auch nicht auf hoch spezialisierte ETFs setzen.
Bogles Kritik ist aus seiner Sicht sicherlich berechtigt. Als nüchterne Analyse. Aber nicht als genereller Ritt gegen ETFs. Und auch nicht adressiert an Privatanleger’innen, die Geld investieren wollen für einen Vermögensaufbau. Denn die kommen in seiner Spekulations-Kritik gar nicht vor, sondern nur Banken und Kapitalverwalter.
Geld investieren – die Quintessenz von Bogles Strategie
Okay, zusammengefasst. Was macht Bogles Investmentstrategie aus? Was verändert die Art, wie Privatanleger Geldanlage laut Bogle denken sollten?
Hauptaussage:
- Indexing ist die richtige Geldanlage für Privatanleger’innen
Und wie kommen Anleger’innen da hin?
- Verfolge eine einfache, breit gestreute Investmentstrategie und nichts Exotisches.
- Kaufen und behalten, nicht handeln. Geldanlage ist Marathon = Buy-and-Hold.
- Reduziere Kosten, wo es geht. Sie bringen dich um den Anlageerfolg.
- Halte Emotionen aus Anlageentscheidungen heraus.
Auswahl starker Aussagen aus dem Buch
„Unser System der Finanzintermediation hat all jene enorm reich gemacht, die das Kapital anderer verwalten.“
„Anleger achten viel zu wenig auf die mit der Kapitalanlage verbundenen Kosten.“
„Wenn es um Erträge geht, ist die Zeit Ihr Freund. Bei den Kosten ist sie Ihr Feind.“
„Suchen Sie nicht nach der Stecknadel – kaufen Sie lieber gleich den ganzen Heuhaufen.“
„Es spricht nichts dagegen, in Index-ETFs zu investieren, wenn Sie damit nicht handeln.“
„Das macht Indexing aus: geringe Gebühren, breite Streuung und ein ultralanger Horizont.“
Die Stärke des Finanzbuches
Das Druck-Format des Buches hat mich sofort angesprochen. Es hat die Maße von Reiseführern, passt platzsparend in die Handtasche und liegt locker in der Hand.
Bogle schreibt anschaulich, eingängig und pointiert. Er setzt Grafiken dort ein, wo sie hilfreich sind.
Hübscher Sidekick: Jedes Kapitel schließt mit einem „Wenn Sie mir nicht glauben …“. Dort zitiert Bogle teils bekannte Persönlichkeiten, um seinen Standpunkt zu untermauern. Fast scheint es, er habe viel Gegenwind in seiner Karriere aushalten müssen … 🙂
Am Ende skizziert der Investor, wie Privatanleger’innen ihr Vermögen strukturieren können. In 2 Etappen. Es sind keine genauen To-Do-Anleitungen, eher allgemeine Aussagen. Und genau deshalb überzeugen sie. Weil sich daraus die persönliche To-Do-Liste entwickeln lässt.
Die große Schwäche des kleinen Handbuchs
Bogle spricht in seinem Handbuch von traditionellen Indexfonds, die auf seine Idee zurückgehen und die er TIFs nennt – Traded Index Funds.
Solche klassischen Indexfonds sind in den USA beliebt. In Europa und Deutschland dagegen gibt es nur wenige. Und wenn stehen sie oft nur institutionellen Anlegern offen wie Banken und Pensionskassen, weil sie Mindest-Anlagesummen von einigen Millionen Euro erfordern.
Hier hätte dem Buch eine Kommentierung von Verlagsseite gutgetan. Aus 2 Gründen: Im Buch wird eine Anlageform angepriesen, die hierzulande so gut wie nicht zu haben ist. Gleichzeitig wird in Deutschland der Begriff „Indexfonds“ sprachlich oft gleichgesetzt mit ETF. Und dann schimpft Bogle auf ETFs? Verwirrend.
Der Fokus des Buches liegt zudem auf den USA. Wenn Bogle meint, Anleger’innen sollten gleich den ganzen Heuhaufen kaufen statt nach der Stecknadel zu suchen, meint er: den US-Heuhaufen!
Für wen sich dieses Finanzbuch eignet
Bogles kleines Handbuch eignet sich nicht für Einsteiger’innen, die ganz frisch ihr Geld investieren wollen. Dafür setzt es zu viel voraus.
Bogle erwartet, dass Sie sich im Begriffskosmos von Börse, Wirtschaft und Aktienhandel bereits auskennen. Aktien, Ausgabeaufschläge, Marktkapitalisierung, Portfolio, Aktienmarktrisiko, Index, Diversifizierung – diese Begriffe müssen sitzen, um Bogles kluge Botschaften aufnehmen zu können.
Wer sich aber schon etwas auskennt mit dem Finanzstandardvokabular findet in diesem Handbuch exzellente Erklärungen, Gedanken und Ideen, was zählt bei der Geldanlage.
Es gibt wenige Autoren und Investoren, bei denen ich sage: Die müssen Sie gelesen haben, wenn Sie erfolgreich ihr Geld investieren wollen! Bogle gehört dazu.
Sie verstehen mit ihm besser die Zutaten für einen cleveren wie erfolgreichen Vermögensaufbau. Lassen Sie sich dabei nicht von Bogles Furor gegen ETFs irritieren und den starken Fokus auf die USA. Die Investmentprinzipien, die er aus seiner langen Erfahrung schöpft, sind universell und gelten für ETFs genauso wie für die Aktienmärkte in Europa und weltweit.Geld investieren
John C. Bogle
Das kleine Handbuch des vernünftigen Investierens
Finanzbuchverlag, 2018
16,99 €
Transparenzhinweis:
Das Buch hat mir der Finanzbuchverlag zur Verfügung gestellt. In meinen Buchtipps bespreche ich dennoch nur Bücher, deren Inhalt ich für relevant und nützlich halte. Und nicht, weil sie mir gratis überlassen wurden.
Schöne Rezension, genauso ist es. Mir hat vor allem gefallen, dass du die kritischen Punkte bei Bogle klar benennst. Die Tatsache, dass er ausschließlich die USA empfiehlt, kann man aber gar nicht lauf gesagt als problematischen Home Bias betonen: es ist letztlich eine Regiowette, die in der Vergangenheit aufging, es aber in der Zukunft nicht unbedingt muss. Außerdem widmet sich Bogle überhaupt nicht (oder fast nicht) den kleinen und mittleren Unternehmen – ein weiterer Schwachpunkt der Diversifikation m. E.
Ich habe die Unterschiede zwischen Bogle und Gerd Kommer in einem ausführlichen Artikel dargestellt ( Link ).
Kleiner Hinweis bz. Frage: im Artikel wird der Eindruck erwecjt, als ob die Banken bzw. Fondsgesellschaften durch ihre hohen Gebühren 60 % vom möglichen Gesamtertrag abschöpfen – das ist aber doch nicht ganz richtig, oder? Der Anleger erhält zwar nur die 40 %, aber die Banken bekommen nicht die übrigen 60 %. Vielmehr stecken in diesen 60 % vor allem entgangene Gelder aus dem Zinseszinseffekt, der eben nur beschränkt einsetzen konnte, weil die Gebühren so hoch sind. (Oder habe ich da einen Denkfehler?)
Hi Alex,
Danke für Deine Ergänzungen.
Mit den 60%. Gute Frage! Letztlich sind es die Provisionen, Gebühren und Kosten, die sich über die Zeit wg. des Zinseszinseffektes zu solchen „Verlusten“ für die Anleger’innen summieren. Denn sie fließen damit ja nicht dem Ertrag zu. Ich sehe es deshalb wie Du: Die 60% setzen sich aus den tatsächlichen Kosten + entgangenen Gewinnen zusammen.
Wenn ein falscher Eindruck entstanden ist, muss ich dem wohl abhelfen. Danke!