Marion Knaths hat die Männer durchschaut. Auch deshalb hat sie es bis in den Vorstand eines US-Großkonzerns geschafft. Jetzt hilft sie Frauen auf dem Weg nach oben. Ihre Firma ist ihr Programm: sheboss. Sie kann Boss.
Sie ist wahrhaftig und amüsant: Marion Knaths. Wenn die Ex-Vorständin als Rednerin auf Bühnen steht, knistert der Saal vor Aufmerksamkeit.
Ich habe sie auf der WoManPower in Hannover erlebt. Knaths erzählt pointiert, mitreißend und empathisch. Und sie hat eine klare Botschaft: Frauen, lasst euch nicht ausbremsen von den Männern, sondern spielt mit. Erst einmal. Und ändert dann die Regeln. In eure Regeln.
Um „Boss“ oder Führungskraft zu werden, müssten Frauen sichtbar sein für Vorgesetzte und Kollegen, sagt Knaths. Wie das geht? Indem sich Frauen zuerst bewusst über ihr eigenes Rollenverhalten werden. Und in einem zweiten Schritt sich das männliche Kommunikationsverhalten zu Nutze machen. Und das geht so:
Frauen fragen, Männer machen Ansagen
Knaths hat beobachtet, dass vielen Frauen im Wege steht, wie und was sie als Mädchen gespielt haben. Nämlich überwiegend Rollenspiele. Die Jungs dagegen kickten, spielten also Fußball. Beim Rollenspielen aber gebe es nichts zu gewinnen, meint Knaths. Dafür viel zu verlieren. Zu verlieren?
Sympathie! So kann ein Mädchen beim Rollenspiel von den anderen ausgeschlossen werden. Was tut sie also: alle Mädchen in der Runde ins Spiel einbeziehen. Und so handhaben wir es dann auch als gestandene Frauen: alle einzubeziehen und gemocht werden.
Anders beim Fußball. Da sagt der Trainer, wo es langgeht. Da wird auf den Platz als Team aufgelaufen und zusammen gekämpft, egal, ob einer gemocht wird oder nicht. Was zählen sind der Sieg und das Lob vom Trainer – und den Kumpels.
Entsprechend verhalten sich Mädchen und Jungen dann auch als Erwachsene, so Knaths Erkenntnis. Frauen fragen, damit sich alle einbezogen fühlen. Männer machen Ansagen, wie früher der Trainer. Fragen hier, Ansagen da – klar, dass dadurch Missverständnisse entstehen.
Wer fragt, verliert. Findet deshalb Marion Knaths
„Eine ernstgemeinte Frage ist bei sehr vielen Männern deshalb eine Rarität. Weil für sie gilt: Wer fragt, verliert!“ Knaths empfiehlt deshalb Frauen, sich diese männliche Art zu Herzen zu nehmen, ohne sich aber zu verbiegen. Wie das geht?
Zum Beispiel so: Anweisungen an Männer nicht als Frage formulieren, sondern als Ansage. Also am Satzende mit der Stimme runter statt hoch. Ein Ausrufungszeichen denken. Das wirkt kompetent und freundlich.
Nicht: Herr Martin, bearbeiten Sie bitte bis morgen 10 Uhr das Dossier? (Stimme hoch)
Sondern: Herr Martin, bearbeiten Sie bitte bis morgen 10 Uhr das Dossier! (Stimme runter)
Timing ist wichtig für Marion Knaths
Welche Frau kennt das nicht: Sie sitzen zusammen mit den Kollegen in der Konferenz. Und was machen die Kerle? Sie reden und reden, jeder tut seine Ansichten kund, reihum, auch wenn sich die Argumente wiederholen. Was das dauert!
Knaths kennt das gut. Konferenzen seien für Frauen oft ein Graus und reine Zeitverschwendung, erzählt sie. Frauen wollten schnell die Agenda abarbeiten, Zack-zack über alles reden – und dann weiter. Die männlichen Kollegen nicht. Solange der Chef ein Mann sei und das toleriert, hätten Frauen aber keine Chance, das zu ändern, so Knaths.
Sie appelliert an die Vernunft von uns Frauen: Lassen Sie es über sich ergehen, sagen Sie auch etwas, es muss auch gar nicht geistreich sein. Und dann warten. Männer reden lassen, deren Lösungen und Einwände anhören. Und erst, wenn sich die Argumente im Kreis zu drehen beginnen oder eine Lösung nicht greifbar ist, die eigene Idee oder einen Redebeitrag beisteuern – mit fester Stimme.
Und wenn sich ein Kollege die Idee schnappt und als seine verkauft? Reinhaken. Das ist Knaths wichtig. Reinhaken. Nicht klein bei geben oder genervt innerlich abwinken. Nein! Die eigene Freude kundtun, dass der Kollege die Idee offensichtlich gut findet, und dann die eigene Problemlösung mit anderen Worten noch einmal darlegen.
Gleich am Anfang der Konferenz mit den eigenen Ideen zu punkten, um die Diskussion in die gewünschte Richtung zu lenken, hält Knaths für keine gute Idee. Das gehe unter, wird von Kollegen ignoriert und die Frau nicht ernst genommen.
Und noch etwas sei in Konferenzen entscheidend: unbedingt die Hierarchie einhalten!
Immer an die „Nummer Eins“
Die Nummer Eins? Ja, das ist der Chef oder die Chefin. Wer als Frau in einer Männerrunde – oder von Männern dominierten Runde – gehört und gesehen werden will, spricht nicht in die Runde, mit Blickkontakt reihum, sondern direkt die Nummer Eins an. Das betont Marion Knaths immer und immer wieder in ihren Vorträgen.
Denn die Nummer Eins ist wie früher der Trainer. Ja. Da war doch etwas. Der Trainer, der dem Team sagt, wo es langgeht, der lobt und tadelt. Erst, wenn die Idee oder der Redebeitrag beim Chef angekommen ist, reagieren auch die Kollegen darauf, vorher meist nicht, so Knaths Erfahrung. Um in der Hierarchie aufzusteigen, müssen Frauen in einen weiteren sauren Apfel beißen.
Schön wiederholen für eigenen Redebeitrag
Auch wenn es Frauen eher doof und übeflüssig vorkommt. Um in der Hierarchie nach oben zu kommen, ist es in Konferenzen und Mitarbeitertreffen mit Chefbeteiligung enorm wichtig, einen „wahrnehmbaren Beitrag für’s Team zu leisten“, sagt Knaths. Das müsse nicht grimmepreisverdächtig sein. Es genügt, die guten Ideen oder eine gute Idee der Kolleg’in zu wiederholen und besonders herauszustreichen.
Was beim Chef dann hängen bleibt? Alle Achtung, die Kollegin ist engagiert!
Schluck‘ auch diese Kröte: Sprich über Erfolge!
Klappern gehört bekanntermaßen zum Handwerk. Wer nach oben will, sollte dieses Klappern beherrschen. Und wie klappert es sich? Indem Sie erfolgreich gemeisterte Projekte gegenüber Kollegen ansprechen, den eigenen Anteil herausstellen, auch wenn es schwerfällt und ungewohnt ist, sagt Knaths. Männer tun das ständig.
Und nur, wenn auch frau über ihre Erfolge spricht, wird sie von Kollegen und Vorgesetzten wahrgenommen. Anstrengend zwar, aber wirksam. Und noch einen Rat legt Kanths Frauen dringend ans Herz:
Übernehmen Sie prestigeträchtige Aufgaben
Lassen Sie das fleißige Lieschen besser sein. Überlassen sie Fleißarbeiten anderen, zum Beispiel dem neuen, jungen Kollegen. Oder dem Kollegen, der ständig alles besser weiß, vielleicht mit den Worten: „Sie können das doch viel gründlicher erledigen als ich, Herr Müller, Sie mit Ihrem Überblick!“ Wie kann dann der Kollege die Fleißarbeit ablehnen? Sie dagegen haben dann Zeit für Aufgaben, die wichtig sind für Team und Firma.
Frau-Sein ist gut, Mädchen-Sein Schrott
Noch so ein Erfahrungsschatz der Marion Knaths. Das Mädchen in uns, das gluckst, die Beine im Stand kreuzt, den Kollegen den Vortritt lässt, immer hilfsbereit und nett ist und bei Gesprächen mit geneigtem Kopf ständig lächelt – das bleibe besser zuhause, appelliert Knaths an die Frauen im Publikum. Das heiße aber nicht, die eigene Weiblickeit und Persönlichkeit aufzugeben. Es bedeute vielmehr, sich im Job den Gegebenheiten anzupassen. Das ist professionell. Mehr nicht.
Das war suboptimal? Suboptimal!
Marion Knaths liebt diesen Satz: „Das war suboptimal!“ Das sagt sie sich immer, wenn mal was gründlich in die Hose gegangen ist, eine Präsentation wirklich mal schlecht lief, frau einen Black Out hatte oder irgendeinen dummen Fehler machte. Knaths Rat: Nicht lange hadern, sich den Fehler verzeihen und ihn innerlich mit den Worten kommentieren: „Das war suboptimal!“
Diesen Satz sagte übrigends Gerhard Schröder im Interview mit der „ZEIT“ auf die Frage, wie er sein Auftreten in der Elefantenrunde 2005 im Nachhinein einschätzt.
„Suboptimal.“, antwortete Schröder. Was für eine grandiose Verharmlosung.
Schröder war in der Elefantenrunde 2005 am Wahlabend außer Rand und Band und wirkte angetrunken. Als Elefantenrunde wird die Fernsehdebatte bei der ARD nach der Bundestagswahl genannt. Zwei Journalisten befragen darin die Vorsitzenden der im Bundestag vertretenen Parteien. Schröder als Noch-Kanzler konnte sich in dieser Sendung nicht zu seiner Wahlniederlage bekennen. Er beharrte selbstgerecht darauf, dass er natürlich Kanzler bleibe und „der eigentliche Verlierer dieser Wahl doch Frau Merkel“ sei. Er machte sich unvorstellbar lächerlich.
Jede Frau hätte sich für diesen Auftritt monatelang nicht mehr auf die Straße getraut. Das Alphatier Schröder aber fand seinen Auftritt lediglich „suboptimal“.
Natürlich verhalten sich Frauen und Männern nicht alle so stereotyp wie Marion Knaths das in ihrem Vortrag anspricht. In der Zuspitzung aber liegt viel Wahrheit. Ich habe mich darin wieder erkannt.
Marion Knaths hat sich in der Männerwelt behauptet. Als Vorstandsmitglied mit gerade einmal 34 Jahren. Sie stellte auf ihrem Weg nach oben fest, dass viele ihrer Kolleginnen nicht aufstiegen wie sie. An der Fachkompetenz habe es nicht gelegen, bemerkte Knaths, sondern an der Rolle, die die Frauen spielten, und wie sie in der männlich dominierten Hierarchie kommunizierten. Verbal und nonverbal. Nach einer überstandenen Krebserkrankung legte Marion Knaths ein Sabbatical-Jahr ein. Den Vorstandsjob quittierte sie anschließend und gründete ihre eigene Firma sheboss.
Es ist tatsächlich unglaublich schwer aus den antrainierten Rollen und dem Gefühl immmer zu allen lieb sein zu müssen als Frau auszubrechen.
Mir bereitet es schlichtweg körperliches Unwohlsein.
Und nun? Was mache ich damit?
Mit Ihrem Unwohlsein? Als Coach wissen Sie ja sehr gut, dass Sie diesem Gefühl auf den Grund gehen können. Indem Sie sich fragen, was sich daran unwohl fühlt, wenn Sie zum Beispiel an die Nr.1 berichten oder selbst nochmal wiederholen, was der Kollege gesagt hat, also Ursachenforschung betreiben.
Nächster Schritt wäre, es mutig einfach mal auszuprobieren. Spielerisch. Und sehen, was passiert. Und dann üben. Wir haben schon so viel geübt, warum nicht eine zusätzliche Facette der menschlichen Kommunikation – hier männlichen? Klar ist das nicht leicht. Aber eine Blinddarm-OP ist schwieriger.
Das hat auch nichts mit Verbiegen zu tun, finde ich. Sondern mit dem Erlernen neuer Skills. Und wer selbst die Nr.1 geworden ist, kann die (Kommunikations)Regeln dann auch ändern … 🙂
Sehr guter Artikel!
Und nie am Chef vorbei mit dessen Chef ueber Problematisches sprechen. Ausser das Ziel ist, ihn zu aergern.
Wenn Frau gefragt wird, wie Projekte laufen, einzig richtige Antwort: prima, toll! Wenn niemand fragt, trotzdem sagen, irgendetwas Positives fällt einem immer ein. Schwierigkeiten mit der besten Freundin oder Coach besprechen.
Ehrlichkeit im Job zahlt sich in der Hinsicht nicht aus.
Gruß Selina.
Ja, Ehrlichkeit zahlt sich im Job nicht immer aus, um weiter zu kommen. 🙁