Die Krise kommt immer überraschend, wie die Böe vor dem Schauer. Plötzlich ist sie da, nimmt einem kurz die Luft zum Atmen, zerrt am Körper und den Haaren, wirbelt Blätter und Dreck hoch, hebt Tischdecken ab und wirft Gegenstände um, die nicht verankert sind.
Genauso ist es mit Finanz-, Börsen- und Wirtschaftskrisen. Dramatisierend werden sie auch Crashs genannt. Also: Absturz.
Krisen pflastern den Weg unseres Geldsystems
Corona ist meine fünfte, aktiv miterlebte Krise. Ein Börsenabsturz, der aus dem Nichts kam und selbst die Subprimekrise von 2007/8 in den Schatten stellte. 2010 folgte die Eurokrise im Fahrwasser der weiter schwelenden Bankenkrise. Die Dotcom-Blase 2000 war ein Massenwertverlust mit Ansage.
Kurz davor war 1998 – ausgelöst durch die Russlandkrise – der Hedge-Fonds LTCM kollabiert. Ein Fonds, beaufsichtigt von 2 Nobelpreisträgern. Seither gebe ich nicht mehr viel auf Titel.
Nach der Krise ist immer vor der Krise
Waren diese Abstürze vorhersagbar? Nein. Vor allem nicht mit ihren Folgen. Krisen pflastern den Weg unseres Wirtschafts- und Geldsystems. Was liegt da näher, als sich genau darüber Wissen und Erfahrung im Umgang mit Krisen und ihren Folgen anzueignen?
Genau das aber tun die Wenigsten. Es scheint, als überraschte uns als Gesellschaft und Privatanleger:innen jede Krise aufs Neue! Deshalb ist die Zeit überfällig für dieses Buch von Prof. Hartmut Walz aus seiner Reihe „Einfach genial entscheiden“.
Prof. Dr. Hartmut Walz: Einfach genial entscheiden im Falle eine Finanzkrise. Konstruktive Crashgedanken. (2020)
Der Autor
Prof. Dr. Hartmut Walz ist Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule Ludwigshafen. Er ist einer der führenden Verhaltensökonomen Deutschlands. Neben der Lehre und dem Austausch mit seinen Studierenden hat Walz es sich zur Aufgabe gemacht, so vielen Menschen wie möglich Finanzbildung zugänglich zu machen.
Seine Bücher sind wissenschaftlich fundiert. Walz langweilt nie. Er schreibt mit einem Augenzwinkern und veranschaulicht die trockene Materie immer und immer wieder an lebensnahen Beispielen. Er ist ein Mann des offenen Wortes, des Nachdenkens und Reflektierens.
Darum geht es
Zuerst Wissen und Fakten, dann Einordnung und Handlungsempfehlungen mit Beispielen aus dem Leben. Das ist der inhaltliche Plan.
Walz definiert zuerst, was überhaupt eine Krise ist und welche uns wirklich bedrohlich werden kann. Wirklich bedrohlich für Leib und Leben. Und – ganz wichtig – er ordnet Krisen in 7 Arten ein, sortiert nach Schwere. Die schlimmste Krise ist eine Weltwirtschaftskrise mit dem Zusammenbruch aller wichtigen Währungen.
Diese fachliche Einordnung gibt den Ton vor.
In folgenden Kapitel seziert Walz die aktuellen Rahmenbedingungen von Währungscrashs, über die Folgen der Negativzinsen, von Staatsverschuldung bis zu Wohlstandsillusion und Geldentwertung. Ein Angstkiller-Kapitel, mit dem er die Basis für einen konstruktiven statt destruktiven Umgang mit Krisen legt.
Walz plädiert dafür, eine Krise nicht als Zerstörer zu sehen, sondern als Chance. Selbst realistisch-optimistisch zu sein und sich und die eigenen Finanzen „robust“ aufzustellen. Sein Konzept für „mehr Robustheit“, wie Walz es nennt, hat 4 Ebenen und ist rasch nachvollziehbar.
Und: Er hat einen 12-Punkte-Plan ausgearbeitet zum strategischen Aufbau und Schutz des Vermögens. Das ist kein Plan mit Geheimwissen oder etwas, das er uns jetzt aufbauschend mit vielen Worten verrät, so, wie das typisch ist für Angstmacher, die uns dann die einzige wahre Lösung verkaufen (für viel Geld und zu ihrem Vorteil, versteht sich).
Der Plan ist klar strukturiertes Finanzwissen, ohne blasierte Wichtigtuerei. Sie können ihn nehmen und damit arbeiten.
Damit Sie sich mit dem Gelesenen nicht allein fühlen, stellt Walz 8 verschiedene Lebenssituationen vor. Das regt an, die eigene Situation zu überdenken.
Da ist beispielsweise Lea, die noch studiert. Das ältere Ehepaar mit erwachsenen Kindern und einer viel zu großen Immobilie oder das Paar mit kleinen Kindern, das sich eine Immobilie wünscht. Da ist aber auch Karim, der wenig Vertrauen ins System hat und sich Null um seine Finanzen kümmert. Bei allen 8 geht Walz die Wünsche und finanzielle Lage durch, rechnet sie mit absoluten Zahlen aus, bewertet sie, zeigt eine Alternative auf – vor dem Hintergrund, sich robust im Falle einer Krise aufzustellen.
Wir im Norden sagen dazu: Wetterfest 🙂
Die Stärke der Crashgedanken
Was mir besonders gefällt: Walz lässt sich an keiner Stelle zu Polemik oder Dramatik hinreißen. Das wird deutlich zum Beispiel im Kapitel, indem er über die verheerenden Kosten von falscher Krisenvorsorge schreibt. Oder er über die Krisen-Risiken von Lebensversicherungen, Bausparverträgen und anderen Verpackungen von Anlageklassen aufgeklärt.
Mit seinem Buch demaskiert Hartmut Walz die Schwarzmaler-Geschäftsmodelle der Crashpropheten, die Angst schüren. Er vermittelt Wissen, das wir anwenden können und Handlungsperspektiven, die zum sachlichen Nachdenken anregen.
Die Schwäche des Buches
Kommt dieses Buch nicht Monate zu spät, Geldfrau? Das höre ich Sie spätestens an dieser Stelle einwerfen. (Es ist seit Mai auf dem Markt.)
Nein, lautet die klare Antwort. Es ist nie zu spät, sich mit Krisenszenarien auseinander zu setzen. Das ist ja nicht nur ein Finanz-Problem. Sondern ein Blick auf die Welt und eine Auseinandersetzung mit sich selbst, den eigenen Ängsten und dem Lebensweg.
Mit jeder Krise – ob Finanzkrise, Wirtschaftskrise, persönliche Krise – geht Angst und Unsicherheit einher. Beides meistern wir am besten mit Wissen, gültigen Regeln, Erfahrung, Übung und sachlichem Austausch.
Für wen es sich eignet
Für alle. Denn wir alle treffen täglich Entscheidungen, die mit Geld und Finanzen zu tun haben. Mal kleine Entscheidungen, mal große. Walz Bücher lassen uns diese Geldwelt besser verstehen. Und wer mehr versteht, handelt besser, abgeklärter und damit gut im eigenen Sinn (und auch gut im Sinne der Allgemeinheit).
Das Buch eignet sich besonders für Menschen, die Ängste entwickeln, die den Kollaps unseres Währungssystems nahen und im Goldbesitz einen Schutzwall vor Verlusten sehen; die sich selbst eine Meinung bilden möchten, sich aber keine zutrauen angesichts des medialen Geschreis vor – allem im Internet.
Und: Für alle, die Vermögen aufbauen wollen. Das Krisenbuch ist – ob gewollt oder nicht – eine fundamentale Anleitung für finanzielle Selbstentscheider’innen.
Eine absolute Leseempfehlung. Gerade jetzt. Denn Sie wissen ja: Die nächste Krise kommt.
Prof. Dr. Hartmut Walz
Einfach genial entscheiden im Falle einer Finanzkrise
Haufe Verlag, 2020
7 Kapitel, 300 Seiten
19,95 €
PS: Sie meinen, mein Bild mit dem Schauer sei verquer? Weil der sich ja sichtbar ankündigt und damit auch die Böe? Der Schauer kündigt sich sichtbar an, das stimmt. Aber nicht die Böe. Ein Schauer kann ohne Regen vorübergehen. Und ob es Böen gibt, sowie wann und wo, ist nicht vorherzusagen. Und deshalb finde ich das Bild zutreffend.
Transparenzhinweis: Das Buch hat mir der Autor zugeschickt. Ich kenne Herrn Walz persönlich und schätze ihn sehr. Neben seiner Arbeit als Professor bloggt er sehr lesenswert auf Schliesslich-ist-es-ihr-Geld.de
Cool, dass du das Buch besprichst. Schwächen scheint das Buch keine zu haben?
Hi Alex,
ich halte Walz Strategie der „Robustheit der Finanzen“ für überzeugend. Es ist auch meine Sicht auf Finanzen und Geldanlage.
Sicher lässt sich über die eine oder andere Schlussfolgerung fachlich debattieren. Aber das sind für mich Randnotizen.
Deshalb: Nein, fachliche Schwächen hat das Buch für mich in der Tat keine 🙂