Wenn geläuterte Bankmitarbeiter’innen aus der Welt des Geldes und von ihrer Arbeit erzählen, wird es schauerlich, abscheulich und es tun sich Abgründe auf. So ist es auch bei Dr. Nikolaus Braun. Er begann als provisionsgetriebener Finanzproduktverkäufer. Heute ist er unabhängig und Honorarberater.
In seinem Buch „Über Geld nachdenken“ erzählt er von diesen beiden Welten. Vor allem aber erklärt er handfest, kenntnisreich, meinungsfreudig und mit einer guten Portion Witz, was zählt im Umgang mit Geld und beim Vermögensaufbau.
Nikolaus Brauns Buch gehört für mich zu den gut lesbaren Finanzbüchern mit einer klaren Botschaft, praktikablen Handlungsempfehlungen und Einblicken in die Praxis eines Honorarberaters und Vermögensverwalters. Braun lebt das, wovon er schreibt: unabhängig und gerade aus. Besonders für Anfänger’innen ist das ein Schatz zur Orientierung im Finanzdschungel und zum Annähern an die Themen Finanzen, Rente, Altersvorsorge, Vermögensaufbau.
Der Autor
Honorarberater’innen, die unabhängig arbeiten, gibt es in Deutschland nur wenige. Dr. Nikolaus Braun gehört zu dieser seltenen Spezies. Er ist promovierter Historiker. Nach seiner universitären Karriere fing er um die Jahrtausendwende bei einer deutschen Großbank an zu arbeiten. Im knallharten Provisionsgeschäft, bei dem es um Umsatzzahlen für die Bank geht und nicht darum, was die Kund’innen brauchen. Oder sollte ich besser schreiben: menschenverachtendes Provisionsgeschäft?
Jedenfalls wandte sich Braun irgendwann einer anderen Bank zu, die versprach, es besser zu machen, was aber auch nicht lange hielt.
2017 gründete er gemeinsam mit einem Companion eine Honorarberaterfirma in München, die sie Neunundvierzig Honorarberatung nannten. Seither hat sich Braun seinem Gewissen und der Lebensqualität seiner Kund’innen verpflichtet – und kritisiert unverblümt die Finanzindustrie, den Provisionsvermittlung und aggressiven Finanzjournalismus. Das spiegelt sich alles in „Über Geld nachdenken“ wieder.
Darum geht es
In 4 Teilen fächert Braun die wichtigsten Gedanken und Schritte auf, die sinnvoll sind, wenn wir anfangen, Geld ernst zu nehmen – und damit uns selbst wichtig. Wenn wir also anfangen, über Geld nachzudenken.
Teil 1
In diesem Teil reißt Braun an, wie wichtig gute Gespräche über Geld sind. Betonung liegt auf: gut. Also keine Monologe mit prahlerischen Anlageerlebnissen, sondern Gespräche – auch Selbstgespräche – was uns am Geld wichtig ist, wozu es uns dienen soll, warum wir es für ein unabhängiges Leben brauchen. Und in Partnerschaften!
Teil 1 ist angelehnt an die Arbeit von Carl Richards „Behavior Gap“ und das wunderbare Buch „The One-Page Financial Plan“. Es stellt besonders die Frage, wie wir Reichtum und reiche Menschen bewerten. Und warum.
Teil 2
Hier lesen wir uns durch die größten Fallstricke, die Geld und Geldanlage für uns aufspannen – und wie wir diese Fehler wirklich vermeiden können. Wie das geht? Durch Wissen und, indem wir uns selbst erkennen. Also unsere Wünsche, Ziele und Prioritäten. Und danach den Geldumgang ausrichten durch Budgets beispielsweise und unser Konsumverhalten reflektieren.
Teil 3
In diesem Teil spannt Braun die wichtigsten Aspekte der Geldanlage auf. Wie sich beispielsweise Portfolios strukturieren lassen, einfach und kompliziert. Was bei der Pflege von Portfolios zu bedenken ist, welche Rolle unsere Erwartungen an die Geldanlage spielen (die regelmäßig viel zu hoch sind), was bei Immobilien zu bedenken ist. Und, das gefällt mir besonders: Er widmet einige Unter-Kapitel der Notfallplanung wie der Vorsorgevollmacht, dem Ehevertrag oder Testament. Also den emotional schwierigsten Themen, die aber so wichtig sind für ein selbstbestimmtes Leben.
Teil 4
Dieser Teil ist ein Novum bei Finanzbüchern. Hier nimmt uns Braun mit in die Zeit, wenn wir unser Jahrzehnte lang aufgebautes Vermögen strategisch wieder zu Geld machen und … ausgeben. Das falle den meisten erstaunlich schwer, schreibt Braun. In seiner Arbeit beobachtet er, dass mit Ende der Erwerbsarbeit das Denkmuster von „Mein Vermögen soll meinen Lebensstandard sicher“ nahtlos übergehe in „Mein Vermögen soll auf keinen Fall weniger werden“. Ein Zielkonflikt. Je früher wir uns dessen bewusst werden, umso leichter fällt es uns dann, wenn es so weit ist, das Vermögen planvoll in ein reiches Leben zurück zu verwandeln.
In diesem Teil geht es um die große Frage: Wie viel brauche ich, damit es reicht bis zum Ende und ich weiterhin unabhängig leben kann. Und wie ich das dann mache, das Entsparen 🙂
Die Stärke des Finanzbuches „Über Geld nachdenken“
Braun ist ein Anhänger von „Einfachheit schlägt Komplexität“. Eine Formel, die für Privatanleger’innen die beste Art des Vermögensaufbaus darstellt. Zwar ist der Vermögensaufbau dann nicht perfekt ausbalanciert. Aber wozu? Perfektion gibt es nicht, und die Optimierung bis ins kleinste Detail führt bei der Geldanlage zu verlorener Lebenszeit und mentaler Schwäche – und nicht etwa zu höheren Renditen, wie Braun schreibt.
Einfachheit und Kontinuität. Diese beiden Gedanken leiten das Buch. Eine gute, praktikable Anlagelösung ist besser als alles abbilden zu wollen: Smart Beta, Welt, Small Caps, Rohstoffe, Edelmetalle, Sektorinvestments etc. etc. … Hilfe!
Braun ermutigt seine Leser’innen, einfach zu denken, unabhängig und gibt im Buch klare Handlungsempfehlungen zur Umsetzung. Er deckt sich damit mit Autoren wie Prof. Dr. Hartmut Walz und Gerd Kommer.
Einblicke in die Praxis und Fokus auf das Wesentliche
Stark ist „Über Geld nachdenken“ auch an den Stellen, wenn Braun aus der Perspektive des Honorarberaters erzählt. Von Mustern, die er beobachtet und mit uns teilt – und wir uns darin erkennen. Oder eigenen Fehlern im Umgang mit Klient’innen.
Da war beispielsweise diese Frau, die zu ihm kam, weil sie sehr viel Geld geerbt hatte, womit sie schlecht umgehen konnte. Das Erbe belastete sie. Statt ihr auf emotionaler Basis zu begegnen, sie reden zu lassen, zuzuhören, ihre Sorgen ernst zu nehmen und richtige Fragen zu stellen, erklärte er ihr auf rationaler Ebene, was zu tun sei. Eine Fehlberatung, wie Braun zerknirscht zugibt. Für uns Leser’innen sind solche Einblicke wertvoll, weil sie das Spektrum zeigen, das sich durch Geld offenbart. Die einen würden vor Freude hüpfen bei einem große Erbe, die anderen verkriechen sich und andere packt die Panik.
Und immer ist es nur Geld. Eine Sache also. Ein Ding. Das für jede und jeden aber etwas anderes bedeutet.
Darauf macht Braun aufmerksam und plädiert für gute, offene, bewertungsfreie Gespräche über Geld – und damit über eigene Wünsche und Bedürfnisse. Die dann in aufgeräumten Finanzen und pragmatischen Portfolios münden. Und wir gut damit leben.
Seine Schwäche
Für mich argumentiert Braun im ersten Teil, indem es um Geld-Mythen und das Denken über „Reiche und Arme“ geht, teils nicht analytisch. Er vermischt sein eigenes Denken mit wissenschaftlichen Erkenntnissen und mit dem, was die Gesellschaft denkt. Hier fehlt mir die analytische Distanz und das klare Herausarbeiten von Denkmustern, und wie wir sie auflösen können.
Auch finde ich es nicht zeitgemäß, die Marktwirtschaft als Wohlstandsmotor zu beschreiben, ohne ihre Schäden zu benennen. Also die ungebremste Ausbeutung von Natur und Tier, das Reduzieren der tierischen Lebensräume, deren Folgen wir immer deutlicher spüren. Stichwort: Krankheitsübertragungen von Tier auf Mensch, Klimawandel, Flüchtlingsströme, unbewohnbare Landstriche …
Unser Wohlstand ist teuer erkauft …
… bezahlt bisher von anderen, weil die Schäden unserer Art zu Wirtschaften sich nicht in Konsumpreisen widerspiegeln. Das nicht zu erwähnen in einem Buch, das uns berechtigterweise auffordert, über Geld nachzudenken?
Ich wünsche mir bei aktuellen Finanzbüchern den Blick auf das Große und Ganze. Und, wie Vermögensaufbau in einer Postwachstumsökonomie aussehen kann. Und nein, da rede ich nicht nur von nachhaltigen Investments. Hier geht es um ein neues Denken von Wirtschaft, Solidarität, Gemeinschaft, Umgang mit Ressourcen.
Freilich ist das alles auch nicht neu, was Braun schreibt. Muss es aber auch nicht.
Für wen sich „Über Geld nachdenken“ eignet
Für die, die sich fragen – wo fange ich an mit meinen Finanzen. Oder: Ich möchte etwas lesen, wie ich mit meinem Geld besser umgehen kann. Oder: Mal lesen, wie ein unabhängiger Honorarberater tickt.
Das Buch ist ein niedrigschwelliger Einstieg, Finanzen klarer zu sehen und mit anderen Augen. Über Geld nachdenken ist immer Nachdenken über sich selbst. Brauns Buch ist deshalb in erster Linie ein Buch über das Leben und wie Geld zu gelungenen Beziehungen und einem zufriedenen, sinnstiftenden Dasein beitragen kann.
Es ist für alle Gold wert, die in den nächsten Wochen einen Termin bei ihrer Bank haben, gerade vor dem Hintergrund von Strafzinsen, die harmlos Verwahrentgelte genannt werden.
Eine Empfehlung für alle Töchter und Söhne, die Eltern im betagten Alter haben mit hohen Geldguthaben bei ihrer Hausbank. Lesen Sie dieses Buch, damit die eigenen Eltern nicht in vermeidbare Fallen tappen.
Brauns Buch ist ein kurzweilige geschriebener, fundierter und praktikabler Startpunkt in die Welt der persönlichen Finanzen und des entspannten wie klugen Vermögensaufbaus. Hier steht alles auf 214 Seiten, was Sie dazu wissen müssen. Unabhängig und humorvoll.
Dr. Nikolaus Braun
Über Geld nachdenken
Verlag campus, 2021
225 Seiten
24,95 €
Finanzen und reich sein sind Männersache?
Nikolaus Braun und ich haben über Männer und Frauen als Klientinnen gesprochen und warum Frauen die Nase vorn haben, Männer aber mehrheitlich das Geld unter ihren Fittichen. Welche Frage er seinen Klient’innen am liebsten stellt. Warum er darauf besteht, dass Ehefrauen mit zur Beratung kommen, welches Buch ihn durch seine Kindheit begleitet hat und warum Frauen die besseren Anlegerinnen sind.
Ein kurzweiliges Gespräch zum Buch. Viel Spaß beim Zuhören.
Aus dem Interview:
01:50 Finanzen sind Männersache
04:10 Gute Fragen stellen
05:00 Was, wenn 5 Millionen Euro vom Himmel fallen?
06:20 Essenz des Buches
11:00 Von Hochstaplern und Betrügern
12:10 Geld ist letzte Bastion des Patriarchats
17:20 Warum Braun einsame Finanzentscheidungen ablehnt
20:30 Frauen als bessere Anlegerinnen
PS: Nikolaus Braun hat mir das Buch tatsächlich geschickt. Ich muss aber zugeben, dass ich seine große Begeisterung nicht vollständig teilen kann für das Kinderbuch „Die wilden Kerle“. 🙂
Transparenzhinweis:
Nikolaus Braun hat mich für „Über Geld nachdenken“ Ende 2020 kontaktiert, weil er mehr über Frauen und Finanzen erfahren und meine Sicht hören wollte. Er hat mir das Buch im Anschluss geschenkt.
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