Vermögensaufbau statt Altersvorsorge – Warum ich lieber von Vermögensaufbau spreche
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Altersvorsorge und Frauen? Kann nicht funktionieren.
Ich denke seit langem darüber nach, werde sehr oft gefragt und diskutiere mit Kolleginnen, warum wir Frauen uns oft so schwertun mit dem Thema, das unter dem Begriff „Altersvorsorge“ gefasst ist. Bei dem wir lieber die Zügel streifen lassen, als sie anzuziehen.
Klar gibt es die historisch-gesellschaftliche Analyse, die definitiv die Haupterklärung für das verbreitete Desinteresse liefert: Frauen waren in Europa Jahrhunderte finanziell entmündigt und auf die Mutterrolle und sorgende Ehefrau reduziert. In der BRD bis 1977. Ohne eigene Erwerbstätigkeit, eigenes Geld und ohne Vermögen aufbauen zu können und es verwalten zu dürfen. Auch ohne Rechte an ihren Kindern und ohne Recht auf körperliche Selbstbestimmung.
Diese Entmündigung prägt. Bis heute. Auch wenn wir Frauen jetzt per Gesetz gleichberechtigt sind (seit 43 Jahren). Und obwohl wir eigene Jobs haben, Kanzlerin sind, Vorstände, Pilotinnen, Ärztinnen, Professorinnen, Notenbanker’innen oder wir Unternehmen gründen und sehr erfolgreich führen.
Auf das Thema Altersvorsorge reagieren wir Frauen immer noch zu oft so wie Einkaufsbummelnde in der Fußgängerzone auf Reporter:innen mit Mikrofon: immer hübsch ausweichend.
Das ist kein intellektuelles Ding. Kein Kopfding. Wir können ja mit Geld, verdienen unser eigenes, treffen große Finanzentscheidungen und sind selbstbestimmt. Und doch. Altersvorsorge – das ist emotional. Denn:
Wie schrieb Edition F letztens so treffend? Zitat:
„Niemand wird gern alt. … Und doch gibt es einen großen Unterschied. Das Älterwerden von Männern und Frauen wird auch im 21. Jahrhundert gesellschaftlich völlig unterschiedlich bewertet. … [es] geht dabei um die kollektive Abwertung und Kränkung, die ältere Frauen gesellschaftlich erfahren.“
Männer werden – wenn sie das Bauchwachstum zähmen – mit dem Alter eher attraktiver. Frauen unsichtbar. Das ist kein Klischee. Das ist Realität. Und wer bitte schön will denn unsichtbar sein?
Ich merke es an mir selbst. Die 5 vor dem Jahrzehnt ist da, es wird herausfordernder, fit zu bleiben, kraftvoll, energetisch. Die Haut flieht nach unten. Haare spielen Abzählreime. Und die Jahren rasen dahin. Die Kinder fliegen Flugzeuge und unterrichten.
Und unter die Dankbarkeit für das reiche Leben mischt sich die Furcht vor Verfall, Hässlichkeit, Kraftlosigkeit. Und vor der Unsichtbarkeit als begehrenswerter Mensch.
„… für dein Alter!“ Wer diesen Satz kennt, ist 50+. Und das ist nie, nie, nie ein wirkliches Kompliment. „… in deinem Alter!“
In der grundsätzlich richtig gemeinten Aufforderung: Frauen, kümmert euch um eure Altersvorsorge, weil die Rente nicht reicht! Schwingt für Frauen – mehr als für Männer – also ein freudloser Subtext mit: Bestell’ schon mal den Sarg, du unsichtbare Schachtel.
Schluck.
Natürlich ist das nicht wissenschaftlich. Es ist ein Gefühl. Denn immer, wenn wir über Geld reden, reden wir über uns. Denken wir über uns als Person nach – mit unseren Wünschen, Bedürfnissen, Sehnsüchten. Alles Gefühle. Keine Ratio.
Und wenn für Frauen das Alter die Hölle ist, wegen des gesellschaftlichen Drucks, der Jahrhunderte langen Entmündigung, der überzogenen Rollenerwartungen und freilich auch der spürbar nachlassenden Kräfte, was soll dann die Vorsorge für genau diese Hölle sein? Paradiesisch? Bliss? Erstrebenswert? Priorität?
Nee. Wirklich nicht. Mach ich doch lieber einen Bogen drumherum. Wie um fragende Journalist:innen in der Fußgängerzone. Gibt wirklich Schöneres!
Deshalb finde ich Vermögensaufbau viel treffender und besser für uns Frauen.
Wir wollen alle gern alt werden, sehr alt. Ich mindestens 100 Jahre. Aber eben nicht „alt sein“ mit all den Gebrechen, der schwindenden Kraft, der schrumpelnden Haut, der nachlassenden Augen … ich hör mal hier auf.
Frauen und Vermögen. Das passt! Da haben sich zwei gefunden. Vermögensaufbau meint soviel mehr als für die Rente sparen.
Der Gedanke an Vermögen lässt uns wachsen. Sprechen Sie es bitte mal laut aus, laut!
„Ich habe Vermögen.“
Oder:
„Ich bin vermögend.“
Wie fühlt sich das an? Was schwingt da mit?
Für mich fühlt sich das so an, als streife ich rote High Heels über. Mein Körper strafft sich; ich fühle mich unbesiegbar, nehme die Dinge leichter und lächle.
Beim Gedanken an Altersvorsorge dagegen schrumpfe ich. Meine Wangen fangen an zu hängen, die Mundwinkel rutschen weg, der Körper beugt sich. Schwere lastet auf mir.
Vermögen bringt eine andere Dimension ins Leben. Es ist nicht zweck- und zeitgebunden wie eine Altersvorsorge. Auf unsere Altersvorsorge greifen wir zurück, wenn wir ein gewisses Alter erreicht haben und kein Lohn-Einkommen mehr erwirtschaften (können).
Vermögen dagegen begleitet uns durch unser gesamtes Leben wie eine Freundin, die da ist, wenn wir sie brauchen, die trägt, nährt und uns Flügel verleiht.
Weil Vermögen:
Denken wir Frauen zum Beispiel gleich mit dem Berufsstart an den Vermögensaufbau als eines von vielen Lebenszielen, stellen sich uns wahrscheinlich einige der teils gesellschaftlichen Hindernisse erst gar nicht in den Weg. Und wenn wir schon im Job und lebenserfahren sind, können wir manche der Hindernisse aus dem Weg räumen.
Hindernisse sind beispielsweise:
Fokussieren wir uns auf den Vermögensaufbau statt auf Altersvorsorge, fokussieren wir uns auf uns und auf das Hier und Jetzt, auf unsere Ziele, unseren Lebensplan oder zumindest auf unsere Lebenswünsche. Auf Gestaltungsmöglichkeiten. Und nicht auf die Hölle.
Das motiviert. Das macht Laune. Das will ich haben!
Sie auch?
Den Artikel veröffentliche ich im Rahmen der extraETFBloggerparade. Das Magazin hatte aufgerufen zur „Bloggerparade 2020 – Private Altersvorsorge geht uns alle an!“ Und da mache ich freilich gern mit. Denn es stimmt ja:
Vermögensaufbau geht uns alle an! Besonders uns Frauen. Und das am besten mit einem Lächeln im Gesicht.
Super Artikel! Ich finde du hast es sehr treffend beschrieben. Frauen werden auch in unserer heutigen Gesellschaft noch viel zu viel benachteiligt. Was das Thema Finanzen angeht haben Frauen sowieso einen schwierigen Stand, weswegen Bloggerinnen wie du und solche Artikel umso wichtiger sind!
Danke 🙂
Dieser Bericht entspricht der Wahrheit, doch beim Zeilen lesen,fällt auf,wie selbstlos klein sich die Frau redet. Ein Männerbauch, Geld, Konsum, ist das alles? Das soll mithalten, mit dem was die weiblichen Wesen alles leisten. Die Frauen waren schon immer die Nestbauer, sorgten für Liebe & Wärme. Da spielt es keine Rolle wie alt ich bin, hier zählt die Reife. Wie sagt ein Sprichwort: hinter jedem erfolgreichen Mann, steht eine Starke Frau. Das was mit Geld nicht zu kaufen ist, das ist der wahre WERT. Meist sind es doch die Frauen mit Umgang Geld beim einkaufen, warum nicht dort einkaufen/ ausgeben wo ich am Umsatz automatisch mit beteiligt bin. Das ist die sicherste Einkommensquelle auf Lebenszeit. Da braucht’s weder Versicherungen, noch Banken.
Liebe Rita,
yes! Wir können das selbst, wir Frauen. Geld anlegen.
Bei Liebe und Wärme spielt Alter keine Rolle, stimmt, da zählt Reife und die erhalten wir v.a. durch Lebenserfahrung, nicht nur aber überwiegend. Das ist auch einer der Gründe, warum Altern einige wunderbare Vorteile hat. Das aber ist ein anderes Thema 🙂
Da bin ich dabei! Ich bin vermögend und das ist tatsächlichen eine wesentlich tollere Aussage als: Ich habe eine Altersvorsorge. Den Artikel teile ich sofort, er motiviert zum Hinschauen, Nachdenken und Aktivwerden. Danke, Dani!
Ich danke Dir Lilly!
Genau das möchte ich: Das wir Frauen Hinschauen auf uns, unsere Wünsche und Bedürfnisse und auch Ängste. Und dann Aktivwerden. 🙂
Liebe Dani,
der Artiklel ist klasse! Den Gedanken hatte ich auch schon mal, aber nicht so zu Ende gedacht wie hier. Ich glaube, du hast da absolut Recht.
Ich bin auf Instagram als Finanzblogger unterwegs und habe dort eine Frauenquote von 26% – was für einen „Blog von einem Kerl“ offensichtlich sehr viel ist, wenn ich mich mit meinen Kollegen unterhalte. Ich bin darauf unglaublich stolz und weiss bislang nicht, warum das so ist.
Tatsache ist aber: ich spreche immer nur über Vermögensaufbau, nie über Alterssicherung (die entsteht ja beim Vermögensaufbau quasi automatisch) – vielleicht ist dein Gedankengang ein Grund dafür.
herzliche grüsse vom „Kohlekumpel“ Rene
Hi Kohlekumpel 🙂
auf Instagram liegt meine Männerquote bei 25% 🙂 Und ja, je länger ich auf diesem Gedanken herumgekaut habe, desto sicherer war ich mir, dass das zumindest auch ein Punkt ist, warum so viel Frauen (wie Männer) auch, nicht nur, aber eben auch einen Bogen um das Thema machen.
Viva Vermögensaufbau!
Hmm, ist das so? Über die Gesellschaftsbilder kann ich nicht viel sagen, aber an sich ist bei mir selbst das Altern definitiv nicht so negativ belegt. Vielleicht „noch“? (Ich bin knapp 30) Wer weiß. Vielleicht liegt es auch an meinem Umfeld und guten Vorbildern in der Familie?
Meine Schwiegereltern sind jetzt ein paar Jahre in Rente und bis auf kleine Malessen hier und da, sehr fit und sportlich. Und sie haben gerade mit der Rente nochmal viele Dinge in ihrem Leben umgekrempelt (ein zweites mal gebaut, lange Sommerurlaube, neue Hobbies) und das geht nur mit entsprechender Vorsorge oder eben entsprechendem Vermögensaufbau. Einerseits ist das nicht selbstverständlich noch so fit zu sein, andererseits leben sie meinem Mann und mir auch gut vor, dass mit der Rente nicht plötzlich das schöne Leben vorbei ist 😉
Auch meine Großeltern haben sich in ihrer Rentenzeit noch viele Wünsche erfüllen können. Die allerletzten Jahre waren hart, aber auch wenn meine Großeltern in meinen kindlichen oder späteren jugendlichen Augen durchaus immer „alt“ waren, habe ich sie nicht als „alte Schachteln“ wahrgenommen.
Bei meinem Mann und mir muss ich sagen, dass ich schon lange bevor wir zusammen kamen angefangen habe, kleinere Rücklagen fürs Alter zu bilden. Viel davon auch weil meine Eltern mich sehr früh dazu bewegt haben.
Mein Mann ist durchaus nicht verschwenderisch, aber bei ihm lagen viel mehr die Ziele der nächsten Jahre im Vordergrund und die Rente ist bei ihm gedanklich noch weit weg. Spannend finde ich auch, dass ich sagen würde, seine Eltern haben besser vorgesorgt als meine – aber meine haben uns Kindern sehr viel stärker eingebläut, dass Altersvorsorge wichtig ist, während das bei ihm nie großartig thematisiert wurde (auch wenn seine Eltern da wie gesagt selbst gut aufgestellt sind).
Spannend finde ich momentan noch, wie manche finanziellen Ziele miteinander konkurrieren. Bei uns ist da zum Beispiel die Frage, ob wir irgendwann (in 5-10 Jahren) mal bauen wollen oder nicht, wie wir dafür Rücklagen bilden und ob es sinnvoll ist dafür vorhandene Altersrücklagen anzuzapfen oder das Geld so gut es geht angelegt zu lassen. Und überhaupt – wie spart man eigentlich einen Eigenanteil für ein Eigenheim heute an?
Aber das sind nochmal andere Fragen. Spannender Artikel auf jeden Fall, er hat mich zum reflektieren gebracht 😉
Liebe Maike,
das mit dem Altern und Gedanken darüber machen kommt in der Tat erst später. Ist bei mir auch so gewesen.
Und schön, dass deine Eltern dir so ein gutes Vorbild waren. Da gehörst du zu den wenigen.
Danke dir sehr für dein Feedback. Das Thema ist so facettenreich.
Das mit den attraktiven Männern und unattraktiven Frauen ü50 ist in der Gesellschaft ein verzerrtes Bild. Es werden die wenigen gutaussehenden älteren Männer wahrgenommen und das Heer der weniger gut aussehenden älteren Frauen. Setz dich mal in ein Straßencafe (wenns wieder erlaubt ist) und beobachte die Leute. Da wirst du mit ziemlicher Sicherheit viele attraktive Frauen ü50 entdecken – und gleichzeitig sehr viele unattraktive Männer ü50 🙂
Liebe Gabriele,
dass viele Männer im Alter unattraktiv werden macht den gesellschaftlichen Druck auf Frauen ja noch absurder.
Kennst Du die jüngste Befragung unter Männern, welches Alter diese bei Frauen am attraktivsten fanden? Rate mal.
Die 20er. 🙋
Klasse Artikel. Die Inspiration Vermögen gegen Altersvorsorge zu tauschen finde ich klasse. Leider vermisse ich – wie bei den meisten Büchern und Artikeln zu diesem Thema -, dass es zunächst mehr als wichtig ist, das vorhandene Vermögen zu sichern. Bei den misten Menschen ist dies wohl die eigene Arbeitskraft mit einem Wert zwischen 1,5 Mio € und 2 Mio €.
Lieber Jörn,
danke für dein Feedback. Es geht im Post um die Kraft der Worte, nicht um Vermögensklassen.
Grüße!
Der Artikel ist genial, ich (Gott sei Dank!) per Zufall auf ihn gestoßen.
Der Perspektivenwechseln von Altersvorsorge hin zu Vermögensaufbau ist extrem wichtig, um das Thema positiver darzustellen. Altersvorsorge klingt immer nach einem Schutz gegen etwas Negatives. Vermögen aufbauen klingt schon deutlich positiver und macht auch viel mehr Spaß – auch wenn es in der Praxis oft das Gleiche ist.
Danke dir für diesen tollen Artikel.
Cheers,
Carlos
Was habe ich gelacht. Vielen herzlichen Dank schon mal dafür :-). Einfach herrlich.
Ich habe mich wirklich gerade hingesetzt, bei dem Gedanken des Vermögensaufbaus! Ich bin heute bei der Recherche für mein „Sesibilierungswebninar“ zum Thema Frauen & Geld (für sehr gut ausgebildete Frauen mit Migrationsbackground) auf Ihren Blog gestossen und die Beiträge sind sooo toll geschrieben, dass ich Lust hätte, alles zu lesen. Aber das wäre Prokrastination :-), daher schreibe ich nur schnell mein Danke-Schön!
Sonnige Grüße aus Frankfurt!
Thuy
* … habe ich wohl zu schnell geschrieben: „Sensibilisierungswebinar“ soll es heissen :-). VG Thuy
Danke! Ich schicke ein Herz …
und gutes Gelingen für das Sensibilisierungswebinar! 🙂
Der Unterschied zwischen Altersvorsorge und Vermögensaufbau ist nicht nur für Frauen wichtig. Es ist etwas grundsätzlich unterschiedliches. Wer seinem Berater sagt, er möchte eine Altersvorsorge bekommt er andere Produkte, als wenn er oder sie sagt, sie möchte Vermögen aufbauen. In der Rechtsprechung muss eine Altersvorsorge „sicher“ sein, während der Vermögensaufbau Schwankungen unterliegen darf. Leider ist das den wenigsten bewusst.
Hallo Claudio,
wie gut, dass wir Selbstentscheiderinnen solche Unterscheidungen nicht machen müssen. Und frei sind, was wir als Altersvorsorge aufbauen.
Zumal finanzgebildete Menschen wissen, dass es keine sicheren Geldanlagen gibt. 🙂 Die Gesetzgeberin scheint sich da nicht mit Fachwissen herangegangen zu sein …
Mit Grüßen!