Verwahrentgelt – was ist das? Wie bezahle ich es. Und kann ich es vermeiden?
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Um es gleich klar zu sagen: Wollen Sie das Verwahrentgelt vermeiden, das immer mehr Banken erheben, werden Sie das nur mit beherzten, gut durchdachten Schritten tun können. Die sind womöglich aber anders, als Sie jetzt denken.
UPDATE – 16. November 2021
Das ist doch mal was! Das Landgericht Berlin hat jetzt entschieden, dass Banken für die Verwahrung von Einlagen auf Tagesgeld- und Girokonten keine Verwahrentgelte berechnen dürfen. Geklagt hatte der Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) gegen die Sparda-Bank Berlin.
Das Gericht erklärte die Klauseln im Preisverzeichnis der Sparda zum Verwahrentgelt für unzulässig. Und es verpflichtete das Kreditinstitut dazu, allen betroffenen Kund’innen die unrechtmäßig erhobenen Beträge zu erstatten.
Denn, so steht es in der Urteilsbegründung:
Der Einlagen-Zinssatz könne zwar auf Null sinken, aber niemals ins Minus rutschen. Dem Kunden müsse mindestens der Betrag bleiben, den er eingezahlt habe. Daran könnten auch veränderte wirtschaftliche Rahmenbedingungen nichts ändern.
Voila! Ein bemerkenswertes Urteil – AZ 16 = 43/21. Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig. Aber es ist immerhin ein wichtiger Ansatz.
Was das für Sie heißt? Wenn Sie schon Verwahrentgelte bezahlt haben, könnten Sie eine Rückforderung an Ihre Bank stellen mit Bezug auf dieses Urteil.
Ein Verwahrentgelt ist eine Gebühr auf Geldguthaben bei einer Bank. Entweder Guthaben auf einem Girokonto, oder Tagesgeldkonto, auf Sparbüchern oder Sparkonten. Das Depot bleibt außen vor. Wertpapiere in Depots wie ETFs, Aktien, Fonds, Anleihen, Zertifikate … sind Sondervermögen und keine Geldguthaben.
Die Höhe des Verwahrentgeltes reicht von 0,1 % bis zurzeit 0,5 %. Aber nicht auf das gesamte Guthaben. Die Banken räumen fast immer Freibeträge ein. Die Banken ING, Targobank, Commerzbank, Comdirect oder die DKB zum Beispiel bitten ihre Kund’innen ab 50.000 € Guthaben zur Verwahrgeltkasse. 50.000 € sind also gebührenfrei.
Manche Banken berechnen die Verwahrgebühr bereits ab einem Guthaben von 1.000 € aufwärts und wiederum manche ab dem ersten Euro.
Nehmen wir ein Beispiel: Sie haben zusammen auf Ihrem Giro- und Tagesgeldkonto bei Ihrer Bank 56.300 € angespart. Ihre Bank gewährt Ihnen 50.000 € Guthaben gebührenfrei. Diesen Freibetrag zieht die Bank nun von Ihrem Sparguthaben ab, bleiben im Beispiels 6.300 € übrig. Auf diese 6.300 € berechnet die Bank dann die Gebühr in Höhe von 0,5 %.
Rechnung:
+ 56.300 € Guthaben
– 50.000 € Freibetrag
————-
= 6.300 €
6.300 € x 0,5 % = 31,50 € Verwahrentgelt.
Diese 31,50 € fallen dann im Jahr an, nicht monatlich, vorausgesetzt, die 56.300 € lagen das gesamte Jahr auf den Konten. Die Bank rechnet nämlich tagesgenau die Guthaben aus. Am Jahresende stellt sie die Rechnung und zieht das Verwahrentgelt vom Konto ab.
Dafür müssten die Banken allerdings ebenfalls eine Zustimmung von ihren Kund’innen einholen. Weil einfach so dürfen sie kein Geld von den Konten abziehen. Schließlich ist es nicht ihr Geld.
Seit Monaten verschicken immer mehr Banken massenhaft Briefe und E-Mails an ihre Kund’innen. Inhalt: Wir führen ein Verwahrentgelt ein und bitten um Ihre Zustimmung. Beides ist neu.
Erstens ist neu, dass Banken auf Konto-Guthaben keinen Zins mehr für die Überlassung des Geldes zahlen, sondern jetzt ein Entgelt haben möchten. Ja, liebe jüngeren Leser’innen, es gab Zeiten, da belohnten Banken das Sparen mit 4,6 % Zinsen. Das war 1980. 2008 waren es noch 2,8 % … Heute zahlen wir dafür, dass wir den Banken unser Geld zur freien Verfügung stellen – durch unser Sparen.
Zweitens ist neu: Wir müssen aktiv zustimmen.
Erstens verdanken wir der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank. Zweitens einem Grundsatzurteil des BGH vom April 2021 (XI ZR 26/20), wonach Banken nicht einfach ihre Gebühren oder die AGB verändern können, und Schweigen als Zustimmung gewertet wird. Das war ohnehin ein Unding, das der BGH jetzt beseitigt hat.
Mal ein bisschen Theorie für den Hintergrund …
Negativzins, Strafzins, Minuszins – diese Wörter werden auch oft genannt, wenn es um das Verwahrentgelt geht. Allerdings sind Zinsen per Definition und per Bürgerlichem Gesetzbuch Entgelte, die auf Kredite erhoben werden. Also, wenn Sie oder ich mir Geld leihen oder es verleihen – oder die Bank, klar. Dieser „Preis für das Überlassen von Geld“ ist per Definition nicht negativ, sondern positiv.
Zwar spreche ich auch ab und an vom Strafzins, aber nur, um meinen Missmut über diese Bankgebühr auszudrücken. Das ist polemisch, ich weiß.
Das Verwahrentgelt ist folglich eine Gebühr dafür, dass wir unser Geld nicht bar zuhause horten, sondern auf einem Giro- oder Tagesgeldkonto lassen. Also ganz ähnlich, als würden wir Lagerboxen mieten, in die wir unser Geld legen.
„Moment, Geldfrau“ werden Sie jetzt womöglich einwenden. „Ich zahle ja schon eine Gebühr dafür, dass die Bank mein Konto führt und damit auch das Geld lagert! Darf die denn dann noch eine Gebühr verlangen? Das wäre ja doppeltgemoppelt! Oder nicht?“
Guter Einwand. Bei bestehenden Konten muss – wie geschrieben – jede Kundin und jeder Kunde aktiv dem Verwahrentgelt zustimmen. Ob dann eine doppelte Bepreisung derselben Leistung vorliegt, werden abschließend die Gerichte klären müssen.
Vermutlich aber werden die Banken beides dürfen – Kontoführungsgebühren plus Verwahrentgelt erheben. Das hat im Juli 2021 das Landgericht Leipzig entschieden (AZ 05 O 640/20) Der Verbraucherzentrale Bundesverband hat Berufung für dieses Urteil eingelegt. Die Berufung ist jetzt, im September 2021, noch nicht entschieden.
Aktuell (Sept. 2021) erheben nach Biallo-Recherchen rund 490 Banken und Sparkassen ein Verwahrentgelt auf private Guthaben – das wäre etwa ein Drittel der deutschen Kreditinstitute. Insgesamt zählte der Bankenverband Ende 2020 rund 1.500 Kreditinstitute in Deutschland. Im Firmenkundengeschäft erheben bereits rund 520 Banken ein Verwahrentgelt auf Guthaben. Also u. a. auf die finanziellen Rücklagen der Firmen.
Die Begründung der Banken liest sich so wie hier bei der ING, einfach aufbereitet:
Das ist eine ausgeschmückte, einfache Erklärung. Richtig ist, dass alle Banken bei der europäischen Notenbank, der EZB, ein Konto unterhalten müssen.
Auf diesem Konto liegt Zentralbankgeld, das die EZB den Banken zur Verfügung stellt. Auf dem Konto wiederum müssen die Banken eine Mindestreserve vorhalten. Diese beträgt zurzeit 1 % aller Bankkunden(spar)einlagen der jeweiligen Bank. Hat sie also 10 Milliarden € Spareinlagen wie Tagesgeld und Geld auf Sparkonten, muss sie 100 Millionen auf dem EZB-Konto vorhalten. 10 Mrd. multipliziert mit 1 %.
Auf diese Mindestreserve wiederum erhebt die EZB seit 2014 ebenfalls eine Gebühr. Bis 2014 erhielten die Banken von der EZB einen Guthabenzins auf diese gesetzlich vorgeschriebene Mindestreserve. Jetzt zahlen die Banken dafür -0,5 %. Fachlich heißt dieses Entgelt, das früher ein Zins war, Einlagezins bzw. Einlagefazilität.
Zusätzlich können Banken auch Überschussreserven auf ihr Zentralbankkonto legen. Auch auf diese berechnet die EZB den Einlagezins, allerdings mit einem abgestuften Verfahren, bei dem die Banken billiger wegkommen. Die Banken können ihre Zentralbankguthaben verringern, indem sie Kredite vergeben oder Bargeld in ihren Tresoren lagern (was die Banken auch stärker als früher tun.)
Den negativ von der EZB festgelegten Einlagezinses geben die Banken jetzt also argumentativ an uns Kund’innen weiter.
Bei 100 Millionen Euro Mindestreserve müsste die Bank in meinem Beispiel also 500.000 € jährlich an die EZB bezahlen. Nicht so wahnsinnig viel.
Alle Details zum Zentralbankgeld, der Mindestreserve, des Berechnens des Einlagezinses lesen Sie bei der Bundesbank hier, hier und hier.
Nun, die ING Deutschland kann jedenfalls mit dem eingeführte Verwahrentgelt ihren Gewinn nach Schätzungen von Finanz-Szene 2021 um 10 % steigern. Hübsch, nicht?
Erfahren werden wir das wohl nicht.
Interessanterweise publizieren Kreditinstitute in ihren Gewinn- und Verlustrechnungen und Geschäftsberichten nicht, welchen Zinsaufwand sie jedes Jahr an die EZB überweisen als Ausgaben für die Einlagenfazilität von -0.5 %. Zumindest habe ich das noch nicht gelesen. Würden sie es tun, wüssten wir Kund’innen sofort, wie hoch die Ausgaben an die EZB tatsächlich sind und könnten uns ein eigenes Bild machen, ob es notwendig ist, dass die Banken bestimmte Gebühren an uns weiterleiten.
Da die Banken hier also nicht transparent sind, bleibt ein sehr fader Beigeschmack. Wäre der Betrag des Einlagezinses, den die EZB verlangt, wirklich so hoch, um die neue Gebühr „Verwahrentgelt“ zu rechtfertigen, könnten die Banken das doch publizieren. Tun sie aber nicht.
Bezeichnend auch: Um in der Logik der Banken zu bleiben, müssten Menschen, die Konsumkredite erhalten und damit die Spareinlagen verringern, eigentlich beschenkt werden. Zum Beispiel durch einen niedrigeren Kreditzins. Ist dem so? Ich denke nicht. Sparkassen verlangen bis zu 10 % pro Jahr auf Konsumkredite, andere Banken begnügen sich mit 3 bis 6 %.
Erst einmal nicht aus der Ruhe bringen lassen.
Nicht wirklich. Darauf weist Sandra Klug von der Hamburger Verbraucherzentrale im Gespräch mit Geldfrau hin. Wenn Sie dem Verwahrentgelt nicht zustimmen, hätte Ihre Bank tatsächlich das Recht, Ihnen das Konto zu kündigen. Das dürfte sie allerdings nur unter Einhaltung einer ordentlichen Kündigungsfrist tun, sagt Sandra Klug. Und nicht von einem Tag auf den anderen. Sie hätten also genug Zeit, sich eine andere Bank zu suchen.
Offenbar ist sich die Branche da auch recht einig. Wer nicht zustimmt, wird gekündigt. Wir Kund’innen sitzen hier also am kürzeren Hebel.
Da hilft nur noch: Sich nach einer anderen Bank umsehen.
– Prof. Walz hat nachgerechnet, wieviel Banken und Sparkassen am Verwahrgeld verdienen
– Umfassender und aufschlussreicher Artikel über die Folgen des EZB-Minuszinses auf Tagesgeldvergleich
– Wichtige Infos bei Verbraucherzentrale Hamburg
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Das ist Wasser auf die Mühlen der Euro-Skeptiker.
Leute, wacht auf!
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